Der (verkürzte) Hüftbeuger im Alltag und dessen Bedeutung im Sport
Jeder kennt Situps. Viele denken, dass sie damit ihre Bauchmuskeln kräftigen. Wenige wissen, dass Crunches und Situps nur noch bedingt empfohlen werden. Wer weiß warum? Und sind „Table Top“ Positions-Übungen aus dem Pilates ebenfalls ungeeignet für eine Rückbildung?
Zu starker Druck auf Bauch und Beckenboden. Rückenschmerzen. Falsche Kopf- und Nackenhaltung.
Bei Situps und Crunches, bei denen man auf dem Rücken liegt und unter Anspannung den Oberkörper hoch in Richtung aufgestellten Knien bewegt, ist der Druck auf Bauch und Beckenboden zu hoch.
Da beides in einer Schwangerschaft stark in Mitleidenschaft gezogen und nach einer Geburt äußerst geschwächt ist, können Mummys diesem Druck noch nicht standhalten.
Wird der Kopf dann nach oben gehalten, steigt der Druck noch höher. Kann die Muskulatur diesen nicht aufgefangen, kann infolgedessen der Druck nach unten auf den Beckenboden so hoch sein, dass Gebärmutter oder Blase dauerhaft nach unten gedrückt werden.
Vor allem zu Beginn ist der Bauch noch sehr weich und bei vielen Mummys die Rectus Diastase (Bauchspalte) noch nicht wieder geschlossen. Studien zufolge leiden mehr als ein Drittel der Erstgebärenden und etwa zwei Drittel der mehrfach gebärenden Mütter darunter. Bei den o.g. Übungen kann der Bauch nach außen gedrückt werden und die Rectus Diastase wird negativ beeinflusst, sodass sich der Spalt im schlimmsten Fall noch vergrößert.
Nicht weniger zu vernachlässigen ist der extrem hohe Druck auf den unteren Rücken (der Lendenwirbelsäule). Vor allem Mummys mit Rückenproblemen sollten hier vorsichtig sein. Da der Kopf beim Heben oft nicht gerade gehalten wird (Faustregel: Der Abstand zwischen Kinn und Brustbein sollte eine Faust quer haltend betragen), sondern das Kinn stark Richtung Brustbein gezogen wird, führt eine falsche Kopf- und Nackenhaltung zu weiteren Problemen im oberen Rücken.
Und nun mein Hauptaugenmerk: Der Hüftbeuger (m. Iliopsoas)
Vor allem der Hüftbeuger wird bei diesen Übungen verkürzt statt gedehnt. Ein weiterer Grund für Rückenschmerzen im unteren Rückensegment. Und ich muss wohl nicht erwähnen, dass ohnehin viele Schwangere aufgrund des immer größer werdenden
Bauches unter starken Rückenschmerzen leiden und infolgedessen eine Fehlhaltung (starkes Hohlkreuz) einnehmen. Nach der Geburt möchte das Baby, wenn möglich, rund um die Uhr getragen werden und sich ganz nah an Mummys Körper schmiegen. Wie gut, dass Tragehilfen und -tücher erfunden wurden. So kann Mama ihr Baby tragen und hat dabei auch noch beide Hände frei. Doch auch hier wirkt sich das Tragen des immer schwerer werdenden Babys nach gewisser Zeit negativ auf den Rücken aus. Statt also dieser Haltung entgegen zu wirken und für eine aufrechte Haltung den Hüftbeuger zu strecken, begünstigen wir die eingenommene Fehlhaltung.
Die Table Top Position aus dem Pilates
Auch die Table Top Position aus dem Pilates birgt meiner Meinung nach viele Gefahren für die Mummys.
Aus den eben oben genannten Gründen. Hauptindikator ist neben der oft fehlende Bauchmuskultur und die daraus folgenden falschen Ausführung auch erneut der Hüftbeuger, der bei diesen Übungen eine verkürzte Haltung einnimmt.
Der Hüftbeuger im Alltag.
Der Grund, den Hüftbeuger im Sport nicht zusätzlich in Übungen wie Situps, Crunches oder Table Top Übungen zu integrieren, liegt auf der Hand: Unser Hüftbeuger wird täglich – durch das ständige SITZEN – ohnehin verkürzt und nur selten gedehnt. Folgende Beispiele sollen dies verdeutlichen.
1. Wir holen das große Geschwisterchen aus der Kita/ Kindergarten ab. Heute wollen wir besonders sportlich unterwegs sein und benutzen das Fahrrad. Doch bei jedem Tritt in die Pedale wird der HÜFTBEUGER aktiviert.
2. Der Weg in die Kita oder zum Einkaufen. Dies machen wir SITZEND im Auto oder SITZEND in den öffentlichen Verkehrsmitteln (denn trotz Beschilderung, stehen nur wenige Menschen für eine Hochschwangere oder Mummy mit (Kleinkind und) Baby auf).
3. Wir gehen mit dem Kinderwagen und dem größeren Geschwisterchen auf den Spielplatz und verabreden uns mit anderen Mummys. Auch hier SETZEN wir uns oft auf die Parkbank und plaudern nur eben kurz mal 30 bis 60 Minuten.
4. Hinfallen gehört dazu. Das wissen wir alle. Daher müssen wir als Mummys stets bereit sein, um unser Kind/ unsere Kinder zu trösten. Hierfür nehmen wir oft unsere Kleinen auf den Schoß und trösten sie im SITZEN.
5. Wir legen selbstverständlich viel Wert auf gemeinsame Mahlzeiten mit der Familie. Mit jedem am Tisch sitzendem Baby/ Kleinkind/ Kind erhöht sich die Anzahl der SITZ-stehenden-Mummy. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass sie sich kaum hingesetzt hat, bis ihr einfällt, was alles noch fehlt, das erste Kind auf die Toilette muss oder sie einen Waschlappen holen muss, weil das erste Glas/ der erste Becher umgekippt ist. Ein ständiges Aktivieren des HÜFTBEUGERS wird durch das wechselnde SITZEN und Stehen begünstigt.
Vierfüßler und Plank Übungen als Alternativen
Um den Druck auf die Lendenwirbelsäule, den Beckenboden und Bauch zu reduzieren, bieten sich insbesondere für die Zeit der Rückbildung Übungen im Vierfüßler Stand an. Hier lassen sich die Übungen besser kontrollieren und der Hüftbeuger leichter ausschalten. Der Vierfüßler Stand dient zudem als Vorstufe für alle Plank Positionen.
Und am Ende des Tages wollen wir ja vor allem eins: Eine stabile Körpermitte und keine Schmerzen im Rücken.
Ein letzter Tipp (für die Bauchmuskulatur):
Bei allen Übungen, die die geraden Bauchmuskeln betreffen, muss der Bauchnabel bei Anspannung Richtung Wirbelsäule gezogen werden (flacher Bauch). Sobald ihr merkt, dass euer Bauch während der Übung spitz wird und nach oben wie ein „Berg“ ragt, ist das ein Anzeichen dafür, dass eure Bauchmuskeln womöglich (noch) zu schwach oder bereits ermüdet sind. Versucht nochmals die Übung kontrolliert mit flachen Bauch auszuführen. Sollte euch das erneut nicht gelingen, bitte die Übung abbrechen.