Ein Interview mit Diätologin und Sporternährungscoach: Martha Resatz (EAT FIT)
Da trägt man über 9 Monate ein kleines (oder mehrere kleine) Wesen in sich und nimmt die Gewichtszunahme in Kauf, um sich kurz nach der Geburt bereits Gedanken darüber zu machen, wie wir die überschüssigen Babypfunde schnellstmöglich wieder loswerden. Beim Stillen nimmt man ab, oder?! Legen wir unser Baby also einfach jede Stunde an und beginnen zeitnah eine „Low Carb“-Diät, richtig? Zeitgleich möchten wir unserem Baby das bestmögliche Geben und nicht in Kauf nehmen, dass es Schäden trägt, weil wir dem „Abnehm-Wahn“ verfallen sind.
Im folgenden Interview klärt uns Martha darüber auf, was es heißt sich ausgewogenen und gesund zu ernähren. Welche Auswirkungen die Ernährung auf die Muttermilch und somit dem Baby hat und wie es möglich ist gesund abzunehmen.
Das Ganze Interview als Video findet ihr hier:
Wer bist du Martha?
Martha ist studierte Diätologin und Sporternährungscoach. Aber auch Mama eines aufgeweckten 2-jährigen Sohnes.
Sie begeistert über ihre sozialen Medien andere Mamas und Frauen für eine gesunde und abwechslungsreiche Ernährung kombiniert mit viel Spaß an der Bewegung.
Mit ihrem sympathischen österreichischen Dialekt, erklärt sie uns, was bei der Nahrungszufuhr während der Stillzeit beachtet werden sollte und worauf man lieber verzichten sollte.
Muss ich während der Stillzeit eine besondere Diät einhalten?
Nicht unbedingt. Wichtig ist, dass man regelmäßig und ausgewogen isst und vor allem ausreichend trinkt! Der Bedarf von einigen Vitaminen und Mineralstoffen ist in der Stillzeit erhöht, wobei dieser in der Regel durch die Ernährung gedeckt werden kann.
Was gehört zu einer ausgewogenen Ernährung während der Stillzeit? Worauf sollte ich achten?
Zuallererst eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr – idealerweise in Form von Wasser oder ungesüßten Tees.
Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte sollten keinesfalls fehlen: Hier empfehlt sich eine Angabe von 5 Portionen am Tag: Dabei entspricht die eigene „Handvoll“ die Angabe einer Portion. Drei Portionen Gemüse bzw. Hülsenfrüchte und bis zu zwei Portionen Obst.
Kohlenhydrate wie Brot, Nudeln, Kartoffeln usw. sollten täglich zu jeder Mahlzeit zu sich genommen werden. Dabei sei erwähnt, dass Vollkornprodukte immer vorzuziehen sind. Keinesfalls rät es sich während der Stillzeit eine „Low Carb“ Diät anzustreben.
Milch und Milchprodukte sollten aufgrund des erhöhten Kalziumbedarfs auf dem Tisch nicht fehlen. Wenn möglich täglich drei Portionen (Milch, Joghurt, Käse).
Eine ausgewogene Ernährung beinhaltet 1-2x wöchentlich Fisch und mehrmals in der Woche (mageres) Fleisch und Eier. Beim Kochen und zubereiten verschiedener Dressings auf hochwertige pflanzliche Öle zugreifen.
Süße Sachen und Snacks sind nicht verboten, sollte jedoch nur selten auf dem Speiseplan stehen.
Wie sieht es aus mit Kalorien? Sollte ich mehr zu mir nehmen?
Der Mehrbedarf an Kalorien ist in der Stillzeit (wenn ausschließlich gestillt wird) in den ersten 4 bis 6 Monaten etwa genau gleich wie im letzten Schwangerschaftsdrittel, also in etwa 500-600 kcal zusätzlich. In Essen umgerechnet ist das etwa: 2 Scheiben Vollkornbrot mit Käse und Schinken, ¼ Gurke, 1 Apfel und eine kleine Handvoll Nüsse.
Eine Gewichtsreduktion aufgrund des Stillens ist von Mama zu Mama sehr individuell. Stillen per se ist daher kein Freifahrtsschein zum „völlern“. 🙂
Sobald Beikost eingeführt und weniger gestillt wird, reduziert sich der Mehrbedarf auf etwa 250 kcal.
Wie viel sollte ich trinken? Mehr als sonst?
Ja, es wird empfohlen etwas mehr zu trinken, allerdings gibt es hierzu keine konkreten Zahlen. Es wird empfohlen bei jedem Stillen 1 Glas zum Trinken bereitzustellen. Am besten eignet sich Wasser oder ungesüßter Tee.
Sollte ich extra Vitamine/ Nahrungsergänzungsmittel zu mir nehmen?
Allgemein gesagt nein. Es gibt aber durchaus Situationen, wo dies notwendig ist, z.B. bei veganer Ernährung, wenn nicht ausgewogen und einseitig gegessen wird. Bevor man dann zu Nahrungsergänzungsmittel greift, empfiehlt es sich vorab den Rat eines Arztes/ einer Ärztin oder eines Diätologen/ einer Diätologin aufzusuchen.
Gibt es Tabus, die meinem Baby nicht guttun und die ich vermeiden sollte?
Alkohol und Nikotin.
Darf ich Alkohol und Koffein konsumieren?
Alkohol und Koffein gehen in die Muttermilch. Das ist wissenschaftlich belegt.
Für Alkohol gilt daher: am besten verzichtet man gänzlich darauf da es der kindlichen Entwicklung erheblichen Schaden zufügen und die Milchproduktion verringern kann. Wenn man mal mit einem kleinen Schluck anstoßen will, dann wird empfohlen dies direkt nach dem Stillen zu tun und dann etwa 2 – 2,5 h mit dem erneuten Stillen zu warten. Von großen Mengen wird aber definitiv abgeraten.
Beim Koffein gilt: die Empfehlung lautet maximal 2-3 Tassen Kaffee bzw. maximal 4 Tassen grüner oder schwarzer Tee. Wenn möglich auch direkt nach dem Stillen, sodass sich das Koffein bis zum nächsten Stillen weitestgehend wieder abbauen kann. Achtung bei Limonaden, denn auch diese können Koffein enthalten!
Inwiefern beeinflusst das, was ich esse, meine Muttermilch? Darf ich nur gesund essen, oder auch mal „sündigen“?
Es gibt keinen Grund komplett auf geliebte Lebensmittel wie Schokolade oder ähnliches zu verzichten. Wenn die Basis passt, dann ist auch ein kleiner Genuss absolut vertretbar.
Wie viel Wahrheit steckt in den Mythen, dass Zitrusfrüchte meinem Baby nicht guttun oder dass ich blähende Nahrungsmittel wie Kohl und Hülsenfrüchte vermeiden sollte, da sie auch mein Baby blähen?
Wissenschaftlich gesehen gibt es dafür keinen Beleg.
Sehr viele Babys leiden in den ersten Wochen und Monaten an Blähungen, unabhängig davon was die Mütter essen. Aus dem Grund sollte man nicht von vornherein auf bestimmte Lebensmittel verzichten. Manche Mütter berichten aber, dass sie sehr wohl merken, dass Ihre Babys auf bestimmte Lebensmittel reagieren, z.B mit Blähungen oder einem roten Popo nach dem Verzehr von Zitrusfrüchten.
Aber wie so oft muss man dies ausprobieren, denn wie bereits eingangs erwähnt: wissenschaftlich belegt ist das alles nicht.
Beeinflusst meine Ernährung in der Stillzeit später den Geschmack meines Babys?
Die Ernährung der Mutter beeinflusst bereits in der Schwangerschaft Vorlieben für bestimmte Geschmacksrichtungen. Geschmacksstoffe werden in das Fruchtwasser abgegeben und vom Fötus geschluckt.
Und genauso verhält es sich in der Stillzeit: Bestimmte Geschmäcker gehen in die Muttermilch über und kann die Trinkmenge beeinflussen. Kinder bevorzugen vor allem bekannte und vertraute Geschmäcker deswegen ist ein früher Kontakt mit unterschiedlichsten Lebensmitteln durch eine abwechslungsreiche und ausgewogene Ernährung der Mutter sehr empfehlenswert.
Je bunter die Ernährung der Mama, desto aufgeschlossener sind Kinder später in Bezug auf die Lebensmittelauswahl.
Kann es Allergien bei meinem Baby vorbeugen, wenn ich beim Stillen auf bestimmte (allergene) Lebensmittel verzichte?
Es ist so, dass das Stillen einen gewissen Schutz vor zukünftigen Allergien des Kindes bietet. Es gibt Allergieformen, wo die Allergene über die Muttermilch an das Kind weitergegeben werden, z.B. bei einer Kuhmilch-Allergie. Das geht aber mit deutlichen Symptomen beim Kind einher und ist kein Grund von Haus aus auf Kuhmilch zu verzichten.
Wie beeinflusst es meine Muttermilch, wenn ich mich vegetarisch oder sogar vegan ernähre?
Eine vegetarische Ernährung ist deutlich leichter mit dem Stillen zu vereinbaren als eine rein vegane, wo ausschließlich pflanzliche Lebensmittel konsumiert werden.
Der kritischste Nährstoff, der dabei betrachtet werden sollte, ist das Vitamin B12: hier besteht die Gefahr irreversibler Schäden beim Kind wie Entwicklungsstörungen, kognitive Beeinträchtigungen oder auch Krampfanfällen. Es kann nicht in ausreichender Menge über eine rein pflanzliche Kost zugeführt werden! Der Mangel kann anhand zahlreicher Studien bei Veganern beobachtet werden. Der Bedarf an Vitamin B12 ist kaum ohne Supplementierung zu decken.
Weitere kritische Nährstoffe sind das Eiweiß, Omega 3 Fettsäuren, Vitamin D, Kalzium, Eisen, Zink und Jod.
– Vitamin D: bei uns allen (auch Nicht-Veganern) ein Problem, wenn nicht genug Sonneneinstrahlung. Daher rät es sich, über den Winter auf Nahrungsergänzungsmittel zurückzugreifen.
– Eisen: Veganer haben deutlich häufiger einen Mangel. Eisen findet man in pflanzliche Quellen, wie Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Sojaprodukte, Nüsse, Samen, Trockenfrüchte. Allerdings kann pflanzliches Eisen wesentlich schlechter vom Körper verwertet werden!
– Jod: kann dem Körper über jodiertes Salz, Milchprodukte oder Nahrungsergänzungsmittel zugeführt werden.
– Kalzium: befindet sich vor allem in grüne Gemüsesorten, Hülsenfrüchte, Nüsse, Samen oder in mit Kalzium angereicherte Sojamilch, Tofu, Mineralwasser
Ob Mischkost, vegetarisch oder vegan – eine ausgewogene Ernährung ist immer wichtig. Auch wenn man prinzipiell alles isst, also auch tierische Produkte kann man durch eine einseitige Ernährung einen Mangel bekommen. Gleichzeitig heißt „vegan“ nicht automatisch gesünder – wenn man jeden Tag nur Pommes und Cola isst, ist es zwar vegan aber deswegen nicht gesund 🙂
Kann ich, während ich stille eine Diät machen, wenn ich die Babypfunde möglichst schnell loswerden möchte?
Diät ist relativ – von einer Radikaldiät würde ich definitiv abraten: Abnehmen bedeutet immer Stress für den Körper. Und Stress wirkt sich schlecht auf die Milchproduktion aus. Außerdem werden beim Abbau von Fettgewebe Schadstoffe frei, die in die Muttermilch übergehen können – das ist aber wirklich nur bei extrem kalorienreduzierten Diäten der Fall.
Eine moderate Gewichtsabnahme von etwa ½ kg pro Woche ist aber durchaus möglich.
„Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass man nach einer Schwangerschaft aber Geduld haben muss mit dem eigenen Körper. Es dauert einfach seine Zeit, bis sich alles zurückbildet und die unerwünschten Kilos wieder verschwinden. Man darf nicht vergessen wieviel unser Körper in diesen 9 Monaten geleistet hat und man sagt etwa genauso lang sollte man seinem Körper auch Zeit lassen, wenn nicht länger!“ (Martha Resatz)
Buchempfehlungen von MumMeFit zu diesem Thema:
In diesem Zusammenhang möchtern wir gern noch zwei Buchempfehlungen aussprechen (unabhängig von einander, auf die wir während unserer Recherchen gestpoßen sind)
Gesunde Ernährung für Babys und Kleinkinder: Ein kostenfreies E-Book von Baby-Walz
Mit Tipps für die gesunde Ernährung in der Schwangerschaft, Stillzeit, beim Beikost-Start und für Kleinkinder. Sowie Vorschläge für Mahlzeiten für Kinder ab 5 bis 12 Monaten. Es wird alles rund um das Thema „Zucker für Babys und Kleinkinder“ diskutiert und nicht zuletzt gibt es auch Tipps für Essensverweigerer: Also was hilft wirklich und welche Ideen gibt es, um gesunde Ernährung Kindern spielerisch näher zu bringen?
Sehr zu empfehen sind die Rezepte ab Seite 88. Die „Spinat Pancakes mit Apfelmus“ sind mal etwas völlig anderes, aber die Kinder lieben sie. Gerade jetzt wo deutlich mehr Zeit zu Hause verbracht wird, kann „gesund“ Kochen und Backen, den Tag der ganzen Familie versüßen.
Es lohnt sich auf jeden Fall mal reinzulesen!
Das Fazit aller wissenschaftlichen Studien zum Thema Ernährung; “ Der Ernährungskompass“ von Bas Kast (als Buch oder Hörbuch)
Wir empfehlen die Hörbuch-Variante, weil sie sich so gut in den Alltag integrieren lässt: Beim Kochen, Wohnung/ Haus putzen, Auto fahren oder bei einem täglichen Spaziergang. Im Internet gibt einen regelrechten „Diät-Dschungel“. Man findet viele Meinungen, doch zumeist sind diese nicht wissenschaftlich fundiert oder beschreiben lediglich die „halbe Wahrheit“. Dieses Buch zeigt, eine (langfristge) Ernährungsumstellung kann richtig Spaß machen, schmeckt gut und ist zudem äußerst gesund.
Seither gibt es bei uns (Anica – Gründerin von MumMeFit) nur noch selbstgemachtes Müsli & Brot/ Brötchen, 2x die Woche Linsen und fast ausschlielich dunkle Schokolade (am liebsten die über 90%ige). Belohnt werden wir mit weniger Heißhungerattacken und ein langfristiges Sättigungsgefühl. Und ganz nebanbei schmeckt es den Kids (meistens) auch. 🙂